Erinnerung an die Pogromnacht in Bornheim

Mit einer Theater-Performance mit Live-Musik auf dem Peter-Fryns-Platz und einem anschließenden Gedenken erinnerten am Mittwoch die Stadt Bornheim, die christlichen Kirchen und die weiterführenden Schulen an die schrecklichen Geschehnisse während der Reichspogromnacht und die darauffolgende Verfolgung und Ermordung jüdischer Menschen. Zum Gedenken versammelte man sich vor der Königstraße 55, also dort, wo bis 1938 die Synagoge stand. 

Gedenkveranstaltung "Erinnern für heute und morgen"

Gut 50 Menschen kamen zur Gedenkveranstaltung "Erinnern für heute und morgen"

Während die antisemitischen Ausschreitungen vielerorts am 9. November 1938 stattfanden, wurde die Bornheimer Synagoge erst am Tag darauf in Brand gesteckt. Ein SA-Trupp aus Bonn zog plündernd und randalierend durch das Stadtgebiet. Die Menschen selbst wurden aus ihren Häusern gezerrt und misshandelt. Auch Bornheimer Bürger beteiligten sich an den Ausschreitungen. Der Dachstuhl der Synagoge stand an jenem 10. November in Flammen. Die Feuerwehr beschränkte sich darauf, ein Übergreifen des Brandes auf die Nachbargebäude zu verhindern. 30 bis 50 Menschen schauten dem Geschehen zu. Einige demolierten jüdische Geschäfte und halfen bei der Brandstiftung.

Brennende Bornheimer Synagoge in der Königstraße am 10. November 1938. Das Foto nahm Kaplan Heinrich Schneider vom Kirchturm der Servatiuskirche auf.

Brennende Bornheimer Synagoge in der Königstraße am 10. November 1938. Das Foto nahm Kaplan Heinrich Schneider vom Kirchturm der Servatiuskirche auf.

Die Gedenkveranstaltung begann mit einer Theater-Performance unter der Leitung von Theaterpädagogin Monika Timme. Rund 50 Menschen hatten sich auf dem Peter-Fryns-Platz versammelt. Die Schauspielerinnen und Schauspieler Angelika Bothe, Benedikt Eudenbach, Jörg Unterkofler, Nico Utz und Swen Binder stellten auf Grundlage von Zeitzeugenaussagen die Geschehnisse in der Pogromnacht dar. Die Vorstellung endete mit der Frage „Was hätte es damals gebraucht und braucht es noch heute?“. Zusammen mit den Zuschauern bildeten die Schauspieler eine Löschkette und machten den Anwesenden so Mut, sich gegen Hass und Hetze zu engagieren.

Danach sprach Bürgermeister Christoph Becker. „Unsere Gedenkveranstaltung steht seit vielen Jahren unter dem Motto ‚Erinnern für Heute und Morgen‘. Denn wir wollen am 10. November nicht nur an die schrecklichen Geschehnisse der Pogromnacht erinnern, sondern auch aufzeigen, wozu Antisemitismus, Hass und Hetze auch heute und in Zukunft führen können“, sagte Becker.

Anschließend gingen die Teilnehmenden über den Servatiusweg zur ehemaligen Synagoge, Königstraße 55. Dort wurde mit einer Schweigeminute der Opfer gedacht. Die ökumenische Andacht hielten Gemeindereferentin Ute Trimpert und Pfarrer Eckhart Altemüller. Michael Meier Etienne (Kontrabass), Carola Jeschke (Klarinette) und Rui Carrilho (Akkordeon) begleiteten die Veranstaltung mit Klezmer-Musik. Sie spielten die Stücke Shalom Alechem, Oyfn Pripetshik und Ose Shalom.

Flyer Ausstellung Jüdisches Bornheim
Die Online-Ausstellung „Jüdisches Bornheim“ wurde vom Bornheimer Stadtarchiv erstellt

Online-Ausstellung „Jüdisches Bornheim“

Da dieses Jahr bundesweit gleichzeitig 1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland gefeiert wird, wies Bürgermeister Becker im Rahmen der Gedenkveranstaltung darauf hin, dass 1.700 Jahre lang jüdische Menschen das Leben in Deutschland mitgeprägt und mitgestaltet hätten. „Auch in Bornheim blühte einst das jüdische Leben, bevor die Nationalsozialisten an die Macht kamen. Es gibt also gleich mehrere Gründe, an die Geschichte der jüdischen Menschen in Bornheim zu erinnern“, so Becker. „Daher freue ich mich, dass die Bornheimer Schulen, die offene Jugendarbeit und das Stadtarchiv zusammen eine Online-Ausstellung erarbeitet haben, die uns diese Geschichte näherbringen wird.“

Die Online-Ausstellung „Jüdisches Bornheim“ wurde vom Stadtarchiv Bornheim mit Hilfe des von der Deutschen Digitalen Bibliothek zur Verfügung gestellten Werkzeugs DDBStudio erstellt. Sie ist HIER abrufbar und auch auf der Internetseite des Bornheimer Stadtarchivs verlinkt. Die Ausstellung präsentiert Orte jüdischen Lebens in der Stadt Bornheim und gibt so Einblicke in die Geschichte der jüdischen Gemeinde. Beiträge der Schulen, Kirchen und der Jugendarbeit werden die Ausstellung in Zukunft noch ergänzen und stetig erweitern. So soll sie perspektivisch zu einem Wegweiser durch das jüdische Bornheim werden und über QR-Codes an einschlägigen Stellen im Stadtgebiet direkt abrufbar sein.

Die Gedenkveranstaltung „Erinnern für heute und morgen“ und die Online-Ausstellung entstand durch die Zusammenarbeit von Stadtarchiv und Jugendamt. So organisierten Stadtarchivar Jens Löffler und Katja Cîmpean vom Bornheimer Jugendamt die Gedenkveranstaltung. Im Rahmen historischer Bildungsarbeit konnten Schulen und Jugendgruppen in den Unterlagen des Stadtarchivs für ihre Projekte recherchieren und mehr über die Geschichte der jüdischen Gemeinde Bornheim erfahren. An der Online-Ausstellung wirken die Heinrich-Böll-Gesamtschule, die Europaschule, die Jugendkirche im Vorgebirge, der Kulturraum Sechtem und der Jugendchor der evangelischen Kirchengemeinde Vorgebirge mit.

„Erinnern für heute und morgen“

Die Anfänge der Veranstaltung

Stadt erinnert erstmals 2011 mit einer Gedenkveranstaltung an die sogenannte Reichspogromnacht

Stadt erinnert erstmals 2011 mit einer Gedenkveranstaltung an die sogenannte Reichspogromnacht

2011 hat die Stadt Bornheim erstmals mit einer Gedenkveranstaltung an die sogenannte Reichspogromnacht erinnert. Ziel war es, einen würdigen Rahmen für das Gedenken an die Opfer der Pogromnacht zu bieten, zugleich aber auch eine aktuelle Auseinandersetzung der Jugendlichen mit Themen wie „Fremdenfeindlichkeit in unserer Gesellschaft“ zu fördern. Die grundlegende Idee dabei war, diese Gedenkveranstaltung zu einem Anliegen von ganz Bornheim zu machen.

Jugendliche bereiten unter Anleitung des Stadtarchivars die jüdische Geschichte in Bornheim auf

Jugendliche bereiten unter Anleitung des Stadtarchivars die jüdische Geschichte in Bornheim auf

In den vergangenen Jahren haben sich Jugendliche unter Anleitung des Bornheimer Stadtarchivars mit Recherchearbeiten zur jüdischen Geschichte in Bornheim auf die Veranstaltung vorbereitet. Üblicherweise beginnt das Gedenken an einem regionalen Zeugnis jüdischer Kultur, z. B. an Stolpersteinen oder der ehemaligen Synagoge. Anschließend findet die eigentliche Gedenkveranstaltung an einem nahegelegenen Ort statt. Flankierend werden meist Ausstellungen und Dokumentationen von Projektarbeiten gezeigt. Die Veranstaltung klingt mit Gesprächen aus. Etwa 100 bis 200 Personen nehmen in der Regel an der Veranstaltung teil.

Diverse Veranstaltungsorte

Diverse Veranstaltungsorte

Die Premiere des Pogromgedenkens hat 2011 in der Herseler Pfarrkirche St. Ägidius stattgefunden. Es folgten die Bornheimer Versöhnungskirche (2012), die Heinrich-Böll-Sekundarschule in Merten (2013), die evangelische Markuskirche in Hemmerich (2014), die katholische Pfarrkirche St. Georg in Widdig (2015), die Bürgerhalle des Bornheimer Rathauses (2016), die Europaschule (2017), das Alexander-von-Humboldt-Gymnasium (2018) und die Grundschule in Walberberg (2019).

Ein neuer Titel

Ein neuer Titel

Seit 2013 lautet der Titel der Gedenkveranstaltung unverändert: „Erinnern für heute und morgen“.

Gedenkveranstaltung als Teil des Jugendmigrations-Theaterprojekts „Jede Jeck es anders“

Gedenkveranstaltung als Teil des Jugendmigrations-Theaterprojekts „Jede Jeck es anders“

Im Jahr 2016 fand die Gedenkveranstaltung als Teil des Jugendmigrations-Theaterprojekts „Jede Jeck es anders“ statt, das vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gefördert wurde. Zahlreiche Jugendliche wurden mit Hilfe von Theaterarbeit an das Thema „Fremdenfeindlichkeit“ herangeführt. Die künstlerische Leitung hatte die Schauspielerin und Regisseurin Elisabeth Pleß vom Netzwerk für darstellende und bildende Kunst „Drangwerk“ in Köln übernommen.

Kinderoper Brundibár

Kinderoper Brundibár

2018 wurde die Kinderoper Brundibár im Alexander-von-Humboldt-Gymnasium aufgeführt.

Corona zwingt zu kleinerem Rahmen

Corona zwingt zu kleinerem Rahmen

2020 wurde die Veranstaltung aufgrund der Corona-Pandemie in einem kleineren Rahmen als Gottesdienst durchgeführt.